Heute war es also soweit. Ich kann mich nicht erinnern, jemals mit solch gemischten Gefühlen Richtung Tempel gefahren zu sein und ich fürchte, es ging den restlichen 80.666 neben mir nicht anders. Auf der einen Seite pure Freude im Fußballherzen, wie selbstverständlich immer wenn ich meinen Ballspielverein begleiten darf (was für mich dem schwarzgelben Himmel sei Dank noch nicht zur Gewohnheit geworden ist) und auf der anderen Seite Wehmut…

Ein Jahr war Zeit gewesen, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass unser Kapitän heute das erfreulicherweise doch nicht sinkende Schiff verlässt. Ein Jahr, in dem ich eigentlich bis zuletzt dachte, Kehli (in bestechender Form) tritt doch noch vom Rücktritt zurück. Weniger Zeit der Gewöhnung blieb uns für die Tatsache, dass heute auch der Tag von Kloppos (vorerst!) letztem Aufmarsch im heimischen Westfalenstadion gekommen war. So machten wir uns aus fast allen Himmelsrichtungen der Bundesrepublik auf, mit Ehepartnern, Lebensgefährten, Freunden, Geschwistern und Eltern im Gepäck – die ganze schwarzgelbe Preußenfamilie – zum letzten Heimspiel der Saison. Einige mit ziehendem Abschiedsschmerz in der Brust, einige mit großen Hoffnungen auf den zukünftigen Umschwung, viele mit Sonnenbrille im Gesicht und Taschentüchern stets griffbereit.

Vor Anpfiff der Partie wurde Kehli offiziell verabschiedet und meine Befürchtungen, dass dieser von Kloppos unfassbarer, sicherlich im deutschen Fußball noch nie derart erlebter Präsenz überstrahlt würde, bestätigten sich gottseidank nicht. Ehre, wem Ehre gebührt und so zeigte das Westfalenstadion über den gesamten Nachmittag hinweg immer wieder seine Zuneigung in Form von lauten Sprechchören, unzähligen Bannern und viel Applaus. „Treue ist kein Gefühl, Treue ist eine Entscheidung“ und für diese seit 13 Jahren gültige Entscheidung sind wir Dir unendlich dankbar, Sebastian!

Beim Einlaufen der Mannschaften auf den Rasen erhob sich vor der Süd, als Tribut an unseren Coach der vergangenen 7 Jahre, eine Choreo, die ich lange, sehr lange nicht vergessen werde. Nicht aufgrund von Prunk, Protz, Puff, Peng oder Ähnlichem sondern wegen eines Satzes, der so viel Wahrheit enthält, dass er auf ein Kissen gestickt in jeden, nicht nur schwarzgelben Haushalt gehört.

Wir brauchen viele Jahre, um zu verstehen, wie kostbar Augenblicke sein können“

Zweifelsohne haben Du, Jürgen und Dein Trainerteam in den letzten 7 Jahren einige der Kostbarsten im Fußballuniversum geschaffen!

Ganz nebenbei spielten am heutigen Tag natürlich auch noch sportliche Aspekte eine wichtige Rolle. Schließlich wollten wir uns, um in der kommenden Saison wieder durch Europa touren zu können nicht nur auf den selbstverständlichen Pokalgewinn in der kommenden Woche verlassen. Durch einen starken Auftritt unserer Jungs ging es mit einem souveränen 3:1 in die Halbzeitpause. Die zweite Spielhälfte war, wie schon des Häufigeren in dieser Saison geprägt von gefühlt 1909 Torchancen ohne dabei Zählbares auf der LED-Anzeige zu hinterlassen. Im Gegenzug frischte der Wind aus nördlicher Richtung böig auf und nach dem Anschlusstreffer zum 3:2 kurz vor Saisonschluss wurde man fast nochmal unruhig. Letztendlich war aber allen Beteiligten klar, dass wir heute schon genug zu erleiden hatten und so stand mit unserem letzten Heimsieg der Saison, nach Abpfiff aller weiteren Bundesligapartien der strategisch wichtige 7. Tabellenplatz fest. „Erste Runde Krankenschein…“ Europa, wir sind dabei! Also zumindest schon mal in der Quali…

Im Anschluss an das Spiel ruhten 80.667 Augenpaare erwartungsvoll auf Kloppo. Wir waren zuvor von Nobby gebeten worden auf unseren Plätzen zu bleiben um die Abschiedsworte des Heiland Jürgen zu vernehmen. Etwas überraschend war dann, dass statt der erwartet tränenreichen und emotionalen Live-Ansprache eine zuvor aufgezeichnete Videobotschaft abgespielt wurde. Die Gründe dafür schienen mir aber durchaus plausibel. Die im Video enthaltenen Aussagen waren Jürgen sehr wichtig und wer sich an seine Abschiedsrede in Mainz erinnert, wird sich bildlich vorstellen können, dass es ihm live wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre eine derartige Rede zu halten. Ich kann aber ebenso die Kritik verstehen, dass man sich einen genau derartigen Gefühlsausbruch gewünscht hätte.

Bei all den vielen, vielen emotionalen Bildern, die von diesem Tag im Gedächtnis bleiben, ist eins der Schönsten, wie unserem Kloppo auch durch die Bremer Gästefans Respekt gezollt wurde. Der komplette Gästeblock blieb nach Abpfiff gefüllt und bei der Ehrenrunde des erfolgreichsten Trainers unserer Vereinsgeschichte wurde dort keinen Deut leiser applaudiert!

Danke Jürgen, dass Du und Dein Team vor 7 Jahren ein Teil unserer Borussia wurdet. Dass Du das Ruhrgebiet und unseren Ballspielverein gelebt und sichtbar mit jeder Faser Deines Körpers geliebt hast. Dass Du uns zu neuem Glanz verholfen hast und Dir nicht zu schade bist, zum Wohle des Vereins Deinen Hut zu nehmen. Danke für jeden Lacher aus vollem Hals, für jeden Ausraster, jeden Torjubel, jede schlagfertige Antwort während der unzähligen Pressekonferenzen und jeden bissigen Kommentar gegen unsere erklärten Lieblingsfeinde. Danke, für das immer menschlich Sein.

Es mag sein, dass die Zeit für einen neuen Trainer reif ist, aber als Persönlichkeit wirst Du nur schwer zu ersetzen sein! Behalte uns in guter Erinnerung.